Wir stehen nicht am Abgrund, wir befinden uns bereits im freien Fall. Das ist das dramatische Fazit, das Stefan Weber zieht, nachdem er intensiv im Wissenschaftsbereich zum grassierenden Textdiebstahl recherchiert hat. Es ist vor allem das Internet, das Informationen verfügbar macht, die dann -- nicht gekennzeichnet -- in Hausarbeiten, Dissertationen oder gar Büchern veröffentlicht werden. Ein Drittel der Studierenden und ein Viertel der Absolventen geben offen zu, Netzplagiate zu verwenden. Für den Autor ist dies weit mehr als eine urheberrechtliche Frage. Ihn alarmiert die dahinter stehende Haltung, die "Ergooglung der Wirklichkeit". Sie führt ein wesentliches Ziel des Studiums, das Erlernen wissenschaftlichen Arbeitens, ad absurdum. Statt selbstständigen methodischen Vorgehens und Recherchierens verlässt man sich auf die (oft fehlerhaften) Einträge bei Wikipedia oder noch weniger zuverlässigen Seiten. Dabei wird der gestohlene Text nicht einfach unverändert in die eigene Arbeit eingefügt. Es wird zusammengefügt und modelliert, Fachbegriffe werden vereinheitlicht, und natürlich wird das Layout angepasst. Das Referenzsystem vergangener Jahrhunderte sieht Weber kollabieren, und dies aus einem trivialen Grund: Es fehlt nicht etwa die Zeit für die eigenständige Durchdringung eines Themas, sondern einfach die Lust dazu! Diese wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht einstellen, wenn man wissenschaftliches Arbeiten als freudlose "Recycling-Textkultur" betreibt. So spannend und allgemeinverständlich das aktuelle Thema hier verhandelt wird: Das Buch ist trotz allem eine klassische medienwissenschaftliche Arbeit, die in einer für das Fach typischen und für Außenstehende oft hermetisch wirkenden Sprache verfasst ist. Wer sich also intensiver mit "Der Austreibung des Geistes aus der Textproduktion" oder "Dem Induktionsschluss bei Plagiaten" befassen will, sollte fachlich entsprechend munitioniert sein. Das Internet ist zugleich Ausdruck und Quelle der Wissenschaftsgesellschaft. In diesem Band, der sich keineswegs als Streitschrift oder Rachefeldzug gegen Kollegen versteht, wirbt Weber für die Einhaltung wichtiger Spielregeln, sollen nicht in naher Zukunft große Teile des Wissensbestandes auf falschen oder falsch ausgewiesenen Informationen basieren und akademische Titel zur Farce werden. All diejenigen Studierenden, die sich von dieser Argumentation nicht beeindrucken lassen, seien gewarnt: Viele Hochschulen haben schon eine spezielle Software eingeführt, die den Abgleich von eingereichten Arbeiten und Internetquellen ermöglicht.